Mit Heileurythmie und Schafgarbe-Wickeln Krebs behandeln: Das klingt unorthodox. Marc Schlaeppi macht das im Kantonsspital St. Gallen tagtäglich. Als Leiter des Zentrums für Integrative Medizin des Kantonsspitals St. Gallen fördert er so bei seinen Patienten die Selbstheilungskräfte. Über deren Einsatz in der Onkologie spricht er am 5. November 2020 an der NSK-Tagung zu Selbstwirksamkeit in Bern und vorab hier im Interview.
Dr. Marc Schlaeppi
Facharzt (FMH) für Medizinische Onkologie
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Marc Schlaeppi, entwickeln wir Menschen unsere Stärken aufgrund von angeborenen Talenten – oder aufgrund von Schwächen, die uns in andere Gebiete ausweichen und dort Stärken entwickeln lassen?
Haben Sie eine solche Entwicklung in Ihrem Werdegang erlebt?
Müssen Sie Schulmedizinern oft erklären, was integrative Medizin ist?
Was ist denn das Typische der integrativen Medizin?
Krebs bekämpfen mit Qigong, feucht-warmen Schafgarbe-Wickeln und Misteltherapie: Das klingt durchaus abenteuerlich. Wird die integrative Medizin von den Schulmedizinern belächelt?
Müssen Sie umgekehrt auch einem Komplementärmediziner die integrative Medizin näher bringen?
Die Komplementärmedizin kommt in der Bevölkerung gut an. Jeanne Fürst, Moderatorin der TV-Sendung «Gesundheit heute», sagte im August im Interview mit der «Schweizer Familie»: «Wie beliebt die Komplementärmedizin in der Bevölkerung ist, merken wir an den hohen Einschaltquoten.»
Auch wenn die Schulmedizin mehr Raum einnimmt: Das Interesse an der Komplementärmedizin ist vorhanden und sie lässt sich nicht verdrängen. Ich illustriere das in Vorträgen hin und wieder mit einem Test, den ich mit dem Publikum durchführe. Dabei bitte ich die Anwesenden, während einer Minute entspannt auf einen roten Punkt auf einer Leinwand zu blicken. Und wenn ich ihn entferne, sehen sie…
... einen grünen Punkt.
Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als die Hälfte aller Krebspatienten auch unkonventionelle Methoden ausprobieren wollen. Was besagt dieser Wunsch über mögliche Defizite der Schulmedizin?
Wonach sehnen sich die Patienten konkret?
Sie nehmen als Referent an der NSK-Tagung vom 5. November 2020 zur Selbstwirksamkeit teil, weil diese in der integrativen Medizin eine so wichtige Rolle spielt. Wie fördern sie die Selbstwirksamkeit Ihrer Patienten in der Praxis?
Was folgt danach?
Nicht nur die Selbstwirksamkeit ist entscheidend, sondern auch die Selbstwirksamkeitserwartung.
Wie entsteht eigentlich Selbstwirksamkeit?
Wie stärken Sie die Selbstwirksamkeit Ihres 13-jährigen Sohnes?
Dann würden Sie dem Winston Churchill Zitat – sinnentfremdet auf die Selbstwirksamkeit bezogen – zustimmen: «Lass niemals eine Krise ungenutzt verstreichen.»
Macht Glauben selig?
Wenn ein Mensch an Krebs erkrankt, erlebt er einen Vertrauensverlust in den eigenen Körper. Ist es da nicht enorm schwierig, an seine Selbstwirksamkeit zu glauben?
Wie stehen Sie als Arzt zu den Schicksalsschlägen, die Ihre Patienten erleiden?
Wo greift die Selbstwirksamkeit am besten: In der Behandlung, der Nachsorge oder in der Palliative Care?
Erinnern Sie sich an eine grosse Verwandlung, die sie bei einem Patienten erlebt haben?
«Dank meiner Krankheit wurde mein Leben besser» – ist das ein Standard-Satz Ihrer Patienten?
Sie bieten kunsttherapeutische Angebote wie Malen an. Was fördern solche Therapien?
Gilt das auch für das therapeutische Schreiben?
Was, wenn bei einem Patienten die Erwartungen an die Selbstwirksamkeit nicht eintreffen? Verstärkt sich dann das Gefühl der Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit und Ohnmacht, der Eindruck einer persönlichen Inkompetenz?
Wenn ein Patient erlebt, dass sein Verhalten nicht den erhofften Einfluss hat, wird er die Ursachen bei sich selber suchen. Der Psychologe Martin Seligman sprach von einer «erlernten Hilflosigkeit» mit Depressionen als Folge.
Der Grat zur Scharlatanerie scheint bei manchen unkonventionellen Methoden schmal zu sein. So findet man im Internet Anbieter, die Krebs allein durch Meditation oder Hypnose behandeln wollen.
Ihr Kommentar auf einen Post einer Patientin im Internet, die auf schulmedizinische Behandlungen verzichtet und allein durch Hypnosen und Meditation gesunden will: «Habe Brustkrebs. Nehme keinerlei ärztliche Hilfe in Anspruch. Radikale Umstellung meines gesamten Lebens als Heilmittel.»
Wovor muss man Patienten warnen?
Finden Sie es lässlich, suggestiv wirkende Arzneimittel ohne relevante Inhaltsstoffe – also Placebos – für die Selbstheilungskräfte zu aktivieren?
Nein, wenn der Patient bewusst durch den Arzt getäuscht wird. Aber den Placeboeffekt zu nützen ist völlig sinnvoll. Es ist erwiesen, dass mit ihnen Schmerzen zurückgehen, Bauchkrämpfe gelindert und Depressionen erfolgreich behandelt werden können. In gewissem Sinne ist jeder behandelnde Arzt mit seinem Urvertrauen in die erfolgreiche Behandlung eines Patienten ein Placebo.
Wo kann die integrative Medizin Evidenzen vorweisen?
Führt die integrative Medizin zu anderen Formen von Gesundheit?
Was strebt die integrative Medizin in der Palliativ-Medizin an: Lebensverlängerung oder Erhöhung der Lebensqualität?
Wie stark arbeitet die integrative Medizin bereits interprofessionell?
Wo steht die integrative Medizin in den Bemühungen, Versorgung, Lehre und Forschung zusammenzubringen?
Wie steht es um die Patientenschulungen?
Wo muss im Weiteren angesetzt werden, um die integrative Medizin weiter zu fördern?
Wie steht es mit der Umsetzungsrealität?
Was erwarten Sie von der NSK-Tagung vom 5. November zum Thema Selbstwirksamkeit?
Was erhoffen Sie sich für die integrative Medizin?
Wo steht die integrative Medizin in zehn Jahren?
Was beschleunigt diesen Prozess?
Woran machen Sie das fest?
Was würden Sie sich von Gesundheitsminister Alain Berset für die integrative Medizin wünschen?
Was haben Sie aufgrund Ihrer Arbeit über das Menschsein gelernt?