Politische
Aktivitäten

Ein nationaler Krebsplan für die Schweiz

Oncosuisse Session im Rahmen des SOHC am
Donnerstag, 23.11.2023

Oncosuisse am SOHC

Der Swiss Oncology & Hematology Congress (SOHC) ist der grösste jährliche Anlass im Schweizer Krebsbereich. Im wissenschaftlichen Komitee sind ein Grossteil der landesweit tätigen Akteure der Schweizer Krebsversorgung und -Forschung vertreten, darunter auch Oncosuisse. Seit 2019 veranstaltet Oncosuisse jährlich Sessions zu aktuellen Themen aus dem Krebsbereich.

Bericht als Download

Die Schweiz hat seit Beendigung der Nationalen Strategie gegen Krebs (NSK) 2020 keinen von Bund und Kantonen getragenen Krebsplan mehr. Es besteht also dringender Handlungsbedarf,  es braucht die Zusammenarbeit aller Akteur:innen – auch von Bund und Kantonen.

Nur mit einer vorausschauenden und gut koordinierten Zusammenarbeit aller Akteur:innen kann den Herausforderungen der Krebsversorgung effizient begegnet werden. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats (SGK-S) hat 2023 die Kommissionsmotion 23.3014 „Nationaler Krebsplan“ entwickelt. Der Bundesrat wird darin beauftragt, einen nationalen Krebsplan auf Basis der nationalen Strategie gegen Krebs 2014-2020 zu erarbeiten. In die Entwicklung des Krebsplans sollen der Bund, die Kantone sowie relevante Organisationen und Expert:innen einbezogen werden.

Der Ständerat hat die Motion ohne Gegenstimme angenommen. Im besten Fall wird auch der Nationalrat in einer der kommenden Sessionen über einen Schweizer Krebsplan abstimmen.

Nach dem Input-Referat «Der Nationale Krebsplan Deutschland: Themen, Strukturen und Learnings» durch PD Dr. Simone Wesselmann, Deutsche Krebsgesellschaft & Steuerungsgruppe Nationaler Krebsplan Deutschland, folgte eine Podiumsdiskussion mit Einbezug des Publikums, wie so ein Krebsplan für die Schweiz aussehen könnte.

Bestätigte Teilnehmer:innen Podiumsdiskussion:

  • Politik: Ständerat Erich Ettlin, die Mitte OW
  • Behörden: Salome von Greyerz , MAE, NDS MiG, Bundesamt für Gesundheit BAG
  • Patientenorganisation: Daniela de la Cruz, Krebsliga Schweiz
  • Krebsmedizin: Jakob Passweg, Onkologie/Hämatologie
  • NSK/Krebsprogramme: Thomas Cerny

Moderation: Michael Röthlisberger, Geschäftsführer Oncosuisse

PD Dr. Simone Wesselmann, Deutsche Krebsgesellschaft und Steuerungsgruppe Nationaler Krebsplan Deutschland

Was wurde diskutiert

Deutschland als Vorbild und die Rahmenbedingungen in der Schweiz
Als einleitendes Inputreferat stellte Dr. Simone Wesselmann von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) kurz den Nationalen Krebsplan in Deutschland vor. Als einen der Kernpunkte ihres Vortrags hob sie die Bedeutung des Engagements des Bundesministeriums für Gesundheit hervor. Die Möglichkeit, Gesetze zu entwickeln und zu verabschieden, sei zentral für die effiziente Umsetzung des Deutschen Krebsplans. Als weiteren wichtigen Punkt nannte sie die Möglichkeit, sichtbare Ergebnisse aus den Projektaktivitäten präsentieren zu können.

Die Situation der gesetzlichen Grundlagen für einen Nationalen Krebsplan in der Schweiz gab in der Folge Anlass zur Diskussion: Eine gesetzliche Grundlage, die es dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) erlauben würde, die Koordination im Kampf gegen nichtübertragbare Krankheiten – wie bspw. Krebs oder Demenz – im Sinne eines nationalen Plans zu übernehmen, gibt es bisher nicht. Dies im Gegensatz zu den übertragbaren Krankheiten, bei denen das Epidemiengesetz (EpG) dem Bund eine Verantwortung – und damit auch einen Handlungsspielraum – einräumt, wie wir alle im Rahmen der Covid-19-Pandemie erlebt haben. Die Forderung nach einem analogen Gesetz für nicht übertragbare Krankheiten, einem «Gesundheitsgesetz», wurde in den letzten Jahren immer wieder erhoben und auch in der Podiumsdiskussion wurde betont, dass es langfristig wohl unumgänglich sein wird, diese gesetzliche Grundlage zu schaffen.

Eine Schweizer Lösung
Es gibt aber auch kurzfristige Lösungen, so wurde die Umsetzung der Nationalen Strategie gegen Krebs 2014-2020 von Bund und Kantonen an Oncosuisse delegiert. Grundlage dafür war damals ebenfalls eine Motion aus dem Parlament, welche eine Nationale Strategie gefordert hatte. Ähnliches gilt bei der Bekämpfung der Demenz: hier konnte das BAG eine Plattform aufbauen, welche den «Austausch der Akteur:innen» fördert und durch Forumsveranstaltungen dazu beitragen will, dass «Synergien genutzt werden». Koordiniert werden die Arbeiten der Plattform von einer Koordinationsstelle, die im BAG selbst angegliedert ist.

In der Motion «Nationaler Krebsplan» der ständerätlichen Gesundheitskommission wird nun gefordert, dass der Bund auch im Krebsbereich wieder zusammen mit den Kantonen und den Akteur:innen der Krebsversorgung einen nationalen Plan im Sinne eines «gemeinsamen Vorgehens» entwickelt und umsetzt. Bei einer Annahme der Motion «Nationaler Krebsplan» durch den Nationalrat würde das BAG somit den Auftrag erhalten, einen Nationalen Krebsplan zu erarbeiten bzw. erarbeiten zu lassen. Während das BAG im Bereich der Krebsregistrierung durch das im Jahr 2020 in Kraft tretende Krebsregistrierungsgesetz eine grosse Expertise aufgebaut hat, ist der Bund bei anderen krebsrelevanten Themen wie Früherkennung, Cancer Survivorship oder Forschung für die Umsetzung eines nationalen Krebsplans auf die Zusammenarbeit mit den Krebsorganisationen angewiesen. Ein Mandatsmodell mit Oncosuisse als Umsetzungspartner erscheint den Teilnehmenden als zielführende Lösung.

Jakob Passweg bekundete als Vizepräsident von Oncosuisse die Bereitschaft, die Federführung bei der Umsetzung eines Nationalen Krebsplans zu übernehmen. Vorgängig müssen jedoch die Zuständigkeiten und die Strukturfinanzierung zwischen Bund, Kantonen und Krebsorganisationen geklärt werden.

Fokussierte Themen
In der Diskussion über mögliche Inhalte eines Nationalen Krebsplans waren sich die Teilnehmenden einig, dass eine Fokussierung auf einige zentrale Themen notwendig ist, auch wenn damit dem Thema Krebs nicht in seiner ganzen Breite Rechnung getragen werden kann. Dafür gibt es zwei Hauptgründe:

  • Erstens sind die vorgesehenen Ressourcen für die Umsetzung eines Nationalen Krebsplans bei den Krebsorganisationen wie auch bei Bund und Kantonen beschränkt und die Zusammenarbeit der Krebsorganisationen mit Bund und Kantonen müsste im Falle einer Annahme der Motion unter Berücksichtigung der rechtlichen Möglichkeiten erst noch (bzw. bezogen auf die NSK 2014-2020 wieder) aufgebaut werden.
  • Zweitens sind verschiedene andere Initiativen im Gesundheitswesen im Gange, die wichtige Themen der Krebsversorgung krankheitsübergreifend aufgreifen, so z.B. Digisanté (Digitalisierung), die NCD-Strategie (Prävention nichtübertragbarer Krankheiten), die Plattform Palliative Care oder auch die Initiative «i14Y» des Bundes (Dateninteroperabilität). Die im Rahmen dieser Initiativen verfolgten Ziele sollen als komplemetär angesehen und nicht parallel auch noch onkologiespezifisch angegangen werden.

Unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen sollen nach Ansicht aller Beteiligten die Krebsorganisationen die thematischen Inhalte eines Nationalen Krebsplans definieren. Oncosuisse hat hier mit den Themenplattformen unter Einbindung der Akteur:innen der Krebsversorgung bereits grosse Vorarbeit geleistet und wird im Sommer 2024 im «Masterplan 2030» Vorschläge für thematische Schwerpunkte veröffentlichen.

Wirkungsmessung in der Umsetzung
Bei der Umsetzung der beschlossenen Massnahmen sollen die Fortschritte engmaschig gemessen und evaluiert werden, um die Wirksamkeit sicherzustellen und gegebenenfalls steuernd eingreifen zu können. Um gleichzeitig genügend Zeit für die Umsetzung der Maßnahmen zu haben, sollte die Laufzeit eines Nationalen Krebsplans nicht von vornherein knapp bemessen sein. Die Podiumsteilnehmenden waren sich einig, dass eine Laufzeit von mindestens 8 Jahren angestrebt werden sollte. Die Koordinierung im Bereich Krebs ist jedoch keine Aufgabe, die per se ein Verfallsdatum hat, sie muss auch nach Ablauf dieser Zeit weitergeführt werden. Dies sollte idealerweise auf einer zu schaffenden gesetzlichen Grundlage erfolgen.

Bei der Umsetzung eines Nationalen Krebsplans ist auch dem föderalistischen System der Schweiz Rechnung zu tragen. Die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung liegt bei den Kantonen. Eine pragmatische und effiziente Form der Zusammenarbeit zwischen Organisationen, Bund und Kantonen ist daher unerlässlich. Auf dem Podium wurde die Idee der «Regionalisierung» bei der Umsetzung von Massnahmen diskutiert. So könnten beispielsweise Projekte in einem ersten Schritt als Zusammenarbeit verschiedener Kantone realisiert werden. So könnten ressourcenschwächere Kantone von der Kraft ressourcenstärkerer Kantone profitieren, innovative Modelle einzelner Kantone/Regionen könnten adaptiert und auf andere übertragen werden. Ziel solcher Pilotprojekte muss aber letztlich immer eine gesamtschweizerische Lösung sein.

Der Wille zur Umsetzung eines Nationalen Krebsplans ist also allseits vorhanden, Fragen zu Rahmenbedingungen, Inhalten und Abläufen sind noch zu klären und als erster Schritt muss der Nationalrat – voraussichtlich in der Frühjahrssession – grünes Licht geben. Drücken wir die Daumen!

Podiumsdiskussion zum Krebsplan Schweiz

Allgemeine Infos zum Anlass

Veranstaltung

Die Veranstaltung wird im Rahmen des SOHC 2023 durchgeführt.

Kontakt

Oncosuisse
Michael Röthlisberger
info@oncosuisse.ch
Tel. 058 058 88 77