Das Schweizer Kinderkrebsregister (SKKR) ist eine Erfolgsgeschichte. Mit dem 2020 in Kraft tretenden Krebsregistrierungsgesetz wird sich einiges ändern, sagen die beiden Co-Leiterinnen Claudia Kühni und Verena Pfeiffer.
Claudia Kühni
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Interview: Peter Ackermann
Wie häufig sind Krebserkrankungen bei Kindern bis 14-jährig in der Schweiz?
Warum ist Leukämie bei Kindern unter fünf Jahren die häufigste Krebsart?
Woran erkranken Jugendliche vor allem?
In den 50er-Jahren sind noch fast alle Kinder mit Krebserkrankungen verstorben, heute liegt die Quote der erfolgreich behandelten Kinder bei über 85 Prozent. Worauf ist der Erfolg zurückzuführen?
Verena Pfeiffer: Vor allem auf die klinische Forschung, durch die die Behandlungen verbessert wurden. Das Schweizer Kinderkrebsregister ermöglicht es, durch die darin erfassten Daten die über Jahrzehnte verbesserte Überlebensrate zu beobachten.
Claudia Kühni: Das Kinderkrebsregister ist tatsächlich ein wichtiges Instrument, um die Heilungserfolge in der Schweiz zu beobachten und zu verbessern. Ein Grund, dass das Register so gut funktioniert, liegt darin, dass es durch die behandelnden Ärzte selber gegründet und geführt wurde und immer der Nutzen der gesammelten Daten im Vordergrund stand. In einer Pioniertat haben sich 1976 sämtliche Kinder-Onkologinnen und Onkologen der Schweiz als Schweizerische Pädiatrische Onkologie Gruppe (SPOG) zusammengeschlossen, um pädiatrische klinische Studien durchzuführen und gleichzeitig die Studienerfolge mit Hilfe eines nationalen Registers auszuwerten. Das war die Geburtsstunde des Schweizer Kinderkrebsregisters. Die SPOG ist bestrebt, alle Kinder in Behandlungsstudien einzuschliessen. Das garantiert standardisierte Therapien auf dem aktuellen Forschungsstand. Ergebnisse können zeitnah ausgewertet und verglichen werden. Das ermöglicht, die Tumoren besser zu verstehen, die Behandlungen zu verbessern und Nebenwirkungen und Spätfolgen zu senken. Heute dokumentiert das Kinderkrebsregister die Daten zu Tumoren, Behandlungen und Langzeitverlauf. Das erlaubt eine ständige Qualitätskontrolle und rasche Rückmeldungen an Ärzte und Forscher.
Worauf ist das aussergewöhnliche Engagement zurückzuführen?
Gibt es Therapien, die für Kinder besser geeignet sind für Erwachsene?
Gibt es Behandlungsarten, von denen man weggekommen ist?
Endlich krebsfrei – und dann?
Mit welchen Spätfolgen haben erfolgreich behandelte Kinder zu rechnen?
Welche Folgen sind tödlich?
Ist der Preis des Überlebens zwangsläufig gebunden an eine Vielzahl von Nebenwirkungen?
Gibt es nur physische Spätfolgen, oder auch psychische?
Lassen sich die psychischen Schwierigkeiten in der Nachsorge einfacher begleiten als die körperlichen?
Kämpfen junge Cancer Survivors auch mit Fatigue und anderen, schwierig zu benennenden, weil diffusen Folgen?
Die Folgen erschweren es bestimmt, dem Schulunterricht zu folgen: Beeinträchtigt Krebs die Chancengleichheit in der Ausbildung?
Trifft das auch auf Patienten mit einem Hirntumor zu?
Claudia Kühni: Kinder mit Hirntumoren leiden generell am meisten unter Spätfolgen. Das gilt insbesondere für die schulische und berufliche Entwicklung, das Finden eines Partners und das Gründen einer Familie. Zudem treten psychische Probleme auf. Nur wenige dieser Cancer Survivors gehen an die Universität oder in die Sekundarschule. Bei diesen Patienten sollten die Förderungsmöglichkeiten möglichst früh intensiv ausgeschöpft werden.
Verena Pfeiffer: Dank des Schweizer Kinderkrebsregisters können die Langzeitfolgen und Auswirkungen auf die Lebensqualität untersucht werden. Kinder, die an Krebs erkranken, haben ja im Gegensatz zu einem krebskranken alten Menschen noch das ganz Leben vor sich. Sie wollen sich verlieben, Kinder zeugen, streben eine berufliche Erfüllung an.
Inwiefern führt das Kinderkrebsregister zu einer besseren Betreuung nach der Therapie und zur Nachsorge?
Welche Aussagen kann das Kinderkrebsregister noch treffen?
Am 1. Januar 2020 tritt das Krebsregistrierungsgesetz in Kraft. Das Kinderkrebsregister hat zusammen mit der Schweizerischen Pädiatrischen Onkologie Gruppe (SPOG) diese Bundesaufgabe übertragen bekommen. Was ändert sich dadurch für das Kinderkrebsregister?
Was finanziert der Bund, was nicht?
Verena Pfeiffer: Der Bund finanziert die reine Registrierung der Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen bis zu 19 Jahren. Und damit auch das Monitoring und die Gesundheitsberichterstattung. Was der Bund nicht übernimmt, ist die Forschung zu Krebs bei Kindern und Jugendlichen, beispielsweise zu Risikofaktoren, Behandlungserfolgen und Spätfolgen. Da sind wir weiterhin auf Drittmittelfinanzierung angewiesen.
Claudia Kühni: Forschungsprojekte zu Ursachen, Therapieverbesserung und Spätfolge sind vollständig auf Drittmittelfinanzierung angewiesen. Das stellt uns immer noch vor grosse Herausforderungen.
Führen die Forderungen des Bundes zu inhaltlichen Umstrukturierungen des Kinderkrebsregisters?
Was hat die Einführung eines Schattenregisters zur Folge?
Machen die Kinder-Onkologinnen und Onkologen mit?
Weitere Herausforderungen?
Weitere Anliegen?
Wenn Ihnen eine Fee einen Wunsch erfüllen würde: Wie hiesse dieser?
Verena Pfeiffer: Dass wir all die Daten, die wir mit viel Aufwand sammeln, optimal für Forschungszwecke nutzen können. Die Forschung bringt uns im Kampf gegen Krebs weiter. Über sie findet Innovation statt, die auch ökonomisch für die Schweiz von Bedeutung ist.
Claudia Kühni: bisher konnte praktisch jede im Kinderkrebsregister gesammelte Information in der Forschung genutzt werden. Das war ein grosser Erfolg. Wir versuchen sicherzustellen, dass dies weiterhin möglich ist. Mein Wunsch an die Fee wäre deshalb: Alle gesammelten Daten sollen genutzt werden können, um die Ursachen von Krebserkrankungen bei Kindern zu erforschen, die Therapien schonend und effektiv zu verbessern, und die Spätfolgen zu reduzieren.
Wer ist die Fee?
Verena Pfeiffer: (Lacht.) Das fragen wir uns manchmal auch.
Claudia Kühni: Der Gesetzgeber – und als ausführende Gewalt der Bundesrat.